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Zusammen spielen, lernen und lachen
Wir tun es den ganzen Tag, mit jeder neuen Information, die wir aufnehmen: Lernen. Das Gehirn funktioniert dabei wie ein Muskel, der trainiert werden will. Mein Neffe macht es mir immer aufs Neue vor: Sein Wortschatz hat sich mal wieder verzehnfacht und mittlerweile weiß er sogar schon, dass es gewittert, weil sich die warmen Luftmassen mit den kalten vermischen… Wissbegierig saugt er neue Informationen auf wie ein Schwamm und wird vielleicht schon bald besser über die Welt Bescheid wissen als ich. In seinem Gehirn bilden sich währenddessen immer neue Verbindungen von Neuronen, sein Gedächtnis wird dadurch immer besser und umfassender.
Die meisten Kinder sind neugierig
Was nichts anderes bedeutet, als dass sie die Welt verstehen wollen – sie lernen spielend. Gelerntes wird vom Gedächtnis gespeichert und knüpft an bereits gemachte Erfahrungen an. Dieser Prozess setzt sich ein Leben lang fort. Am schnellsten lernen allerdings Babys und Kleinkinder: Ein Neugeborenes kann, wenn es auf die Welt kommt, nur 30 Zentimeter weit sehen. Nach ein paar Monaten steht es einem Erwachsenen in seiner Sehleistung nicht mehr nach. Im Gegenteil, denn die Sehleistung nimmt im Alter wieder ab. Kleinkindern braucht man nur dabei zuzuhören, wie sie sprechen lernen, um zu verstehen, wie schnell sich ihr Wissen erweitert.
Beim letzten Besuch bei den Kindern waren es noch lustige Laute, aus denen man die Bedeutung vermuten konnte. Diesmal überraschen sie mich mit einem fertigen Satz – fast schade, denn die oft amüsanten Wortkreationen fallen nun weg.
Wie aufwändig der Lernprozess ist, zeigt der Energieverbrauch
Das Gehirn eines dreijährigen Kindes verbraucht doppelt soviel Energie wie das eines Erwachsenen. Dieser Mehrverbrauch dauert während der Kindheit und Pubertät an und gleicht sich erst mit circa 18 Jahren an den Verbrauch eines Erwachsenen an. Doch vom Baby bis dorthin ist ein weiter Weg, auf dem unglaublich viele Dinge gelernt werden müssen, die für Erwachsene selbstverständlich sind. Es beginnt mit dem Erkennen der Mutter und anderen Bezugspersonen. Danach lernen Kinder aus wichtigen Erfahrungen, wie der, dass nicht jeder Hund so lieb ist wie der vom Nachbarn – einige sogar beißen. Und natürlich darf der berühmte Griff auf die heiße Herdplatte nicht fehlen, den kaum ein Kind wiederholt. Das zeigt: Wir lernen am besten aus Erfahrung. Diese Inhalte bleiben besser „hängen“ als wenn uns jemand hundertmal erzählt, dass Herdplatten heiß sind und man sie nicht berühren sollte. Während kleinere Kinder erst einmal damit beschäftigt sind, ihre unmittelbare Umwelt zu verstehen, stellen größere schon Fragen, die oft den Horizont von Erwachsenen überschreiten. Warum leuchten die Sterne und wie geht es, dass das Weltall unendlich ist. So lernen Kinder unterschiedlichen Alters verschiedene Aspekte des Lebens kennen, deuten und verstehen. Haben sie irgendwann ausgelernt?
Wir lernen in jedem Alter
Immer, wenn wir etwas Neues sehen, hören, oder riechen, wird es in den bestehenden Fundus an Wissen eingeordnet und somit gelernt. Die Ausrede: „Dafür bin ich schon zu alt“, zählt dabei nicht, denn Studien belegen, dass sich auch im Oberstübchen von Senioren neue Nervenverbindungen knüpfen, wenn sie beispielsweise einige Wochen täglich jonglieren üben. Auch wenn es manchmal etwas länger dauert, ist das kein Grund aufzugeben, denn Lernen hält den Kopf jung. Das alte Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ behält also recht.
Wichtig dabei ist eine gute Atmosphäre, denn auch unser Gehirn braucht Erholung. Während des Lernens sollte für Ruhe gesorgt sein, der Anrufbeantworter kann beispielsweise einspringen, damit keine Ablenkung den Lernprozess stört. Wer zwischen Lernen und Prüfung noch ein Nickerchen machen oder eine Nacht schlafen kann, verbessert die Chancen, dass Gelerntes langfristig im Gedächtnis bleibt. Überhaupt sind Pausen immens wichtig. Unser Gehirn kann sich nur etwa 30 bis 90 Minuten mit voller Energie konzentrieren. Danach ist deshalb eine Pause sinnvoll – auch wenn es nur fünf Minuten sind.
Stress ist ein Lernkiller
Bei einem gestressten Menschen ist die Aufmerksamkeit auf so viele andere Dinge gelenkt als auf die Lerninhalte, dass sie einfach nicht im Gehirn „hängenbleiben“ wollen. Die Kapazitäten unserer Aufmerksamkeit sind begrenzt, deshalb hemmt Stress die Möglichkeit, neues Wissen aufzunehmen – der Kopf ist im wahrsten Sinne des Wortes voll mit anderen Dingen. Leider können wir uns aus einer solchen Lage schwer mit der bewussten Entscheidung „ich konzentriere mich jetzt“ befreien. Dazu müssen wir in tiefere Schichten des Bewusstseins vordringen, deshalb helfen in diesen Fällen Entspannungsübungen, wie autogenes Training und Yoga oder Qigong. Gerade letzteres zeigt große Erfolge bei Schulkindern, die durch die Übungen entspannter und damit aufnahmefähiger werden. Das wirkt sich auch auf die allgemeine Zufriedenheit der Kinder aus und das Lernen macht wieder Spaß.
Zudem kommt es auf die richtige Nahrung an: Wer sich von Kaffee, Zucker und Nikotin ernährt, hat schlechte Chancen. Kaffee macht zwar kurzfristig fit, aber danach geht es mit der Leistungsfähigkeit steil bergab, ähnlich verhält es sich auch mit Traubenzucker. Ein voller Bauch studiert aber auch nicht gern. Regelmäßige, leichte Mahlzeiten und als Snack Obst bieten sich an, dazu ausreichend Wasser oder ungesüßte Tees trinken. Da unser Gehirn Sauerstoff braucht, lohnt sich regelmäßiges Lüften. Und wenn es mal nicht weiter geht, hilft ein Spaziergang an der frischen Luft am besten.
Lernen mit Hindernissen
Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und auch die Hyperaktivität (ADHS) werden als Feinde des Lernens bezeichnet. Doch nicht nur Kinder sind „Zappelphilippe“, auch bis zu vier Prozent der Erwachsenen sind davon betroffen. Die Aufmerksamkeit länger auf einen Inhalt zu richten und sich zu konzentrieren scheint dann unmöglich. Neben therapeutischer Hilfe, gilt es für große und kleine Betroffene beim Lernen einige Regeln zu befolgen:
- Ablenkung vermeiden (auf den Schreibtisch gehören nur Sachen, die gerade benötigt werden)
- Die Stärken loben (Anerkennung motiviert)
- Struktur schaffen (Lerninhalte in Blöcke gliedern, diese am Ende kurz zusammenfassen. Klare Regelungen schaffen: was wird heute gelernt)
- Gelerntes regelmäßig wiederholen (damit es vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis überwechseln kann)
Auch eine medikamentöse Behandlung mit Ritalin ist gängig, obgleich Studien zeigen, dass das Arzneimittel in sehr vielen Fällen vorschnell eingesetzt wird. Nicht jedes aufweckte und wissbegierige Kind leidet an der Erkrankung – hier gilt es genau hinzuschauen und sich eventuell eine zweite Meinung einzuholen.
Anders lernen
Nach dem Pisa-Schock werden oftmals neue Lernkonzepte gefordert und bislang auch schon teilweise umgesetzt. So bewegt sich der Trend schon seit geraumer Zeit weg vom Frontalunterricht, hin zu einem selbstorganisierten Lernprozess. Dieser Ansatz scheint zu fruchten. Denn wenn Schüler und Schülerinnen zumindest zum Teil selbst entscheiden, welche Aufgaben sie machen und ob sie diese allein oder in einer Gruppe verrichten, lernen sie intensiver. Beim Lernen spielt nämlich die Motivation eine wichtige Rolle und die ist größer, wenn man die Inhalte selbst auswählen kann. Der Schock hat Taten folgen lassen, die erste Erfolge zeigen.
Je mehr Forscher in den letzten Jahren über das menschliche Gehirn herausgefunden haben, umso mehr ändert sich auch das Bild vom Lernen und vom Gedächtnis. Während das Gedächtnis früher als „black box“ gesehen wurde, in die einfach alle Informationen hinein wandern, weiß man heute, dass es verschiedene Strukturen gibt, in denen sich Wissen „festsetzt“. Diese sind alle miteinander vernetzt und kommunizieren stetig, Neues baut auf Bestehendem auf. Der beste Lerneffekt tritt somit ein, wenn man mehrere Systeme gleichzeitig anspricht und mit bereits gemachten Kenntnissen ins Verhältnis setzt. Deswegen ist es am besten, Wissen gemeinsam zu erarbeiten und vielleicht noch mit einer praktischen Erfahrung, zum Beispiel einem Versuch oder Experiment, zu verbinden.