Wie lebt es sich in einer Familie, in der das klassische Rollenverständnis längst
überholt ist? Mit welchen Vorurteilen müssen sich gleichgeschlechtliche Eltern und ihre Kinder auseinandersetzen? Und wie ist die aktuelle Rechtslage für schwule Väter oder lesbische Mütter? Ein Einblick.
„ Fabian (Name v. d. Redaktion geändert) ist nett, der hat zwei Mamas“, erzählt mir mein Sohn eines Tages über ein neues Kindergartenkind. An weiteren Rückfragen ist er nicht interessiert. Inzwischen sind die beiden gute Freunde und gehen in die gleiche Grundschulklasse. Und auch dort wundert sich keiner, dass Fabian mal von der einen, mal von der anderen Mama abgeholt wird.
Fabian lebt in einer so genannten Regenbogenfamilie. Der Begriff steht für Familienkonstellationen mit gleichgeschlechtlichen Paaren und Kindern. Der Regenbogen ist das weltweit anerkannte Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung; die bunt schillernden Regenbogenfarben stehen für Vielfältigkeit, Toleranz und Hoffnung.
Vielfältigkeit: Soziale Verantwortung übernehmen
Viele Kinder wachsen heutzutage nicht mehr in der klassischen Familienkonstellation Mutter – Vater – Kind(er) auf. Eltern leben getrennt, sind alleinerziehend, haben Pflege- oder Adoptivkinder oder Kinder aus neuen Beziehungen oder sind gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern. Eine Familie zu sein, bedeutet eben nicht nur als (verheiratetes) Paar zusammenzuleben und Kinder zu haben, sondern umfasst alle Formen des privaten Zusammenlebens. Im Vordergrund steht die Sorge und die Verantwortung füreinander und die Geborgenheit im Umgang miteinander, und die wiederum ist unabhängig von der biologischen Mutter- oder Vaterschaft.
Der steinige Weg zum Wunschkind
Die Mehrzahl der Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren stammt aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Wenn lesbische Frauen ihren Kinderwunsch erfüllen und das Kind selbst austragen möchten, bleibt nur die künstliche Befruchtung (die sogenannte heterologe Insemination) und damit die Frage nach dem geeigneten Samenspender. Entscheiden sich die Frauen für einen Samenspender aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis, ist es wahrscheinlicher, dass das Kind später die Möglichkeit hat, seinen biologischen Vater kennenzulernen. Auch Samenbanken sind für einige Frauenpaare eine Option. Allerdings unterstützen nicht alle Reproduktionspraxen in Deutschland lesbische Paare bei einer künstlichen Befruchtung mit Samen aus Samenbanken. Das liegt vor allem daran, dass Ärztinnen und Ärzte sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen, weil auf Samenspender theoretisch Unterhaltsansprüche zukommen können, wie der „Verein Donogene Insemination“ in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Grund genug für viele Paare, sich für eine Behandlung im Ausland zu entscheiden. Ein belastender und kostspieliger Schritt.
Für schwule Paare mit Kinderwunsch, die kein Kind aus einer früheren gleichgeschlechtlichen Beziehung haben, ist der Weg zum Wunschkind noch beschwerlicher. Oft ist die erste Überlegung, ein Kind zu adoptieren. Allerdings sind die Anforderungen hoch und die Wartelisten lang, außerdem werden verheiratete heterosexuelle Paare bevorzugt. Bei Auslandsadoptionen sind die Chancen, ein Kind zu bekommen, zwar höher, allerdings sind die Vermittlungskosten extrem hoch. Außerdem dürfen homosexuelle Partner nur einzeln ein Kind adoptieren und nicht gemeinsam, der zweite Partner erhält nicht das volle Sorgerecht.
Eine weitere Option ist die Leihmutterschaft, die allerdings in Deutschland nicht erlaubt ist. Es bleibt also auch hier nur der Weg ins Ausland.
Toleranz: Von den Kindern lernen
Nicht immer reagiert die Umwelt offen und tolerant, wenn Kinder aus ungewohnten Familienkonstellationen kommen. In manchen Fällen müssen Kinder und Eltern mit Vorurteilen rechnen, müssen sich Sprüche anhören oder werden gar diskriminiert. Oft steckt Unsicherheit und Unwissen und kein böser Wille hinter diesem Verhalten. Anne, die gemeinsam mit Petra einen halbjährigen Sohn hat, resümiert: „Die Diskriminierungserfahrungen von Schwulen und Lesben sind se hr unterschiedlich. Je selbstbewusster und je selbstverständlicher damit umgegangen wird desto weniger Skepsis oder Kritik wird ihnen zurückgespiegelt.“ Anne ist sich sicher, dass das im Umgang mit den Kindern ähnlich läuft: „Wenn die Kinder sich wohlfühlen in ihrer Familie, werden sie auch viel weniger mit diskriminierendem Verhalten konfrontiert, sie treten selbstbewusster auf und sind weniger angreifbar“. „Wir können viel von den Kindern lernen“ resümiert Petra, „sie gehen einfach sehr selbstverständlich mit ihrem Regenbogen-Alltag um“.
Das Thema Diskriminierung sei natürlich auch von der Umgebung, in der lesbische oder schwule Paare mit ihren Kinder leben, abhängig, ergänzt Sabine*, die eine Zeitlang als Erzieherin in einer katholischen Einrichtung auf dem Land arbeitete. Dort sei es immer noch schwieriger sich zu „outen“, während in der Stadt die Toleranzschwelle wesentlich höher sei. „Hier muss ich gar nicht darüber nachdenken, dass ich nicht so lebe, wie meine Familie“, erklärt die 40-Jährige, und mit dieser Selbstverständlichkeit wachse auch ihr Sohn auf.
Wie reagieren die Eltern bzw. Schwiegereltern darauf, wenn die lesbischen oder schwulen Kinder Nachwuchs bekommen? Petra: „Dadurch, dass die Eltern Großeltern werden, sind sie selber nochmal in einem neuen Outing-Prozess und es wird schwerer das ‚Anderssein‘ der eigenen Tochter für sich zu behalten.“ Die (positive) Folge: im eigenen Freundeskreis würde offener mit dem Thema umgegangen und die Freude daran, Großeltern zu werden, stehe im Vordergrund.
Hoffnung: Mehr Rechte für alle
Im Januar 2005 wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz ergänzt. Schwule und lesbische Lebenspartner dürfen seitdem das leibliche Kind des Partners oder der Partnerin adoptieren und erhalten gemeinsam das volle Sorgerecht, vorausgesetzt sie sind eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Allerdings dauere das Adoptionsverfahren sehr lange, erläutert Petra. Man müsse mit bis zu zwei Jahren Wartezeit rechnen. „Die Zeit wird damit begründet, dass eine Bindung entsteht zwischen der Co-Mutter und dem Kind“, ergänzt ihre Lebenspartnerin Anne. Völlig absurd angesichts der Tatsache, dass beide Partnerinnen ja von Geburt an eine starke Bindung zu dem Kind haben. Petra: „Ich muss also begründen, warum ich meinen eigenen Sohn adoptieren möchte!“
Ohne die Lebenspartnerschaft (Verpartnerung) besteht allerdings kein rechtlicher Anspruch für die „Co-Mütter“ oder „Co-Väter“ gegenüber dem Kind, selbst wenn die Bindung zu dem Kind sehr eng ist. „Sollte mir als leiblicher Mutter etwas passieren, kann ich eben nicht sicher sein, dass das Kind bei der Co-Mutter bleiben darf, weil sie ja nicht sorgeberechtigt ist“, erklärt Sabine. Man könne nur auf den gesunden Menschenverstand hoffen, schließlich stünde das Kind im Mittelpunkt. In solch einem Fall rät die Rechtsanwältin Gudrun Winkelmann den PartnerInnen, sich unbedingt rechtlich beraten zu lassen. In vielen Fällen ist es sinnvoll, eine Vorsorgevollmacht abzuschließen bzw. sich testamentarisch abzusichern.
Ergänzend weist die Fachanwältin für Familienrecht Denise Thon darauf hin, dass seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.02.2013 auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner das Adoptivkind eines Lebenspartners adoptieren dürfen: „In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht wichtige Aussagen zu den verfassungsmäßigen Rechten von Kindern und Eltern nicht nur in ‚Regenbogenfamilien‘ getroffen und damit zumindest einen Schritt in Richtung ‚Gestattung der gemeinschaftlichen Adoption auch durch Lebenspartner‘ gemacht.“
Kinder in Regenbogenfamilien sind keine Zufallskinder, im Gegenteil, sie sind fast immer absolute Wunschkinder und sie wachsen (mindestens) genauso gut oder schlecht auf wie Kinder in anderen Familienkonstellationen. Umso wichtiger ist es, Diskriminierungen zu verhindern und sich dafür einzusetzen, dass die Rechte dieser Familien gestärkt werden!
In einigen Städten gibt es Gruppen, in denen sich gleichgeschlechtliche Familien mit Kindern regelmäßig treffen – eine gute Gelegenheit für einen Erfahrungsaustausch für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Auskünfte erteilt der Lesben- und Schwulenverband Nordrhein-Westfalen (www.nrw.lsvd.de). Infos gibt es außerdem bei den Regionalgruppen von „ilse – Initiative lesbischer und schwuler Eltern“ (www.ilse.lsvd.de).