Für immer mehr Menschen in unserem Land ist Deutsch nicht die Muttersprache. Sie – oder ihre Eltern – sind beispielsweise aus Russland, der Türkei, aus Italien oder aus Spanien zugewandert. So leben in Deutschland mittlerweile mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund (Stand 2010). Allen gemeinsam ist, dass sie in der Regel als erstes nicht Deutsch, sondern eine andere Sprache erlernt haben. Deutsch ist die zweite, teilweise auch erst die dritte Sprache, die sie erworben haben.
Mehrsprachigkeit ist ein Thema in allen europäischen Staaten und Mehrsprachigkeit ist eine Herausforderung – insbesondere hinsichtlich der Integration von Menschen, die Probleme haben, die deutsche Sprache zu erlernen. Doch es ist falsch, immer in erster Linie die Probleme zu betonen. Denn Mehrsprachigkeit ist vor allem eine wertvolle Ressource, ein „Schatz", den es zu bergen gilt – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Deshalb kommt es darauf an, Eltern bei der mehrsprachigen Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen.
Mehrere Sprachen – mehrere Kulturen
Grundsätzlich gilt: Eine Sprache zu lernen braucht vor allem Zeit. Und: Die meisten Kinder, die zweisprachig aufwachsen, haben mit dem Erwerb beider Sprachen keine Schwierigkeiten. Wichtig ist, dass Kinder mit einer zweiten Sprache auch eine zweite Kultur kennen lernen. Deshalb sollten Eltern in zweisprachigen Familien unbedingt beide Sprachen benutzen, damit nicht ein wichtiger Teil der familiären Herkunft verloren geht.
Welche Sprache sollen Kinder sprechen?
Wichtig ist, dass es in zweisprachigen Familien klare Regeln für den Umgang mit den verschiedenen Sprachen gibt. Diese Regeln müssen für das Kind deutlich erkennbar sein.
Kinder haben die Möglichkeit, verschiedene Sprachen gleichzeitig oder nacheinander zu lernen. Für den Spracherwerb ist es günstig, wenn die Eltern mit den Kindern in ihrer jeweiligen Muttersprache (Erstsprache) sprechen, weil sie diese Sprache wirklich gut beherrschen und sich selbst in dieser Sprache sicher fühlen. Nur so können sie gute Sprachvorbilder sein. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ihre Kinder sich die Grammatik und einen breiten Wortschatz in der jeweiligen Sprache aneignen können. So kann die aus Griechenland stammende Mutter mit ihren Kindern immer Griechisch und der in Paris geborene Vater konsequent Französisch sprechen. Beide fördern so nicht nur die sprachliche sondern die gesamte Entwicklung ihrer Kinder. Deutsch lernen die Zweijährigen dann ganz nebenbei auch noch in der Krippe.
Die Entscheidung, in welcher Sprache welches Elternteil mit den Kindern redet, sollte so früh wie möglich fallen und dann konsequent durchgehalten werden, denn klare Sprachtrennungsregeln erleichtern den Kindern den Spracherwerb.
Grundsätzlich gilt: Die Kinder dürfen entscheiden, in welcher Sprache sie sprechen. Sie werden sich oft für die Sprache entscheiden, die sie – zu dem jeweiligen Zeitpunkt – besser beherrschen.
Wie unterstützen Eltern ihr Kind allgemein beim Spracherwerb?
Wir alle, also auch Kinder, lernen am Besten, wenn uns Lernen Spaß macht und nicht als anstrengend empfunden wird. Deshalb hilft es auch mehrsprachig aufwachsenden Kindern am meisten, wenn Eltern mit ihnen im Alltag in ganz normalen Situationen, in ganz normalen Sätzen reden und spielen (fernsehen alleine hilft nicht). Keinesfalls sollten sie mit ihren Kinder üben. Denn erst einmal ist wichtig, was die Kinder sagen, nicht so sehr, wie sie es sagen.
Wann sollten Eltern sich beraten lassen?
Auch mehrsprachig aufwachsende Kinder können von Sprachentwicklungsstörungen betroffen sein. Dies kommt, wie die Forschung zeigt, zwar seltener vor als bei einsprachigen Kindern, doch wenn eine Sprachstörung besteht, ist diese oft schwerwiegender. Sprachentwicklungsstörungen betreffen immer alle Sprachen des Kindes. Dies muss in der logopädischen Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden.