Manchmal läuft es in der Familie nicht rund, es hakt und knirscht und die Nerven liegen blank. Jetzt ist Expert:innenrat gefragt.

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Einsames Kind
Wie kindliche Einsamkeit entsteht, wie Eltern sie erkennen und ihrem Kind helfen können, haben unsere Kolleg:innen von der Düsseldorfer Libelle im Interview mit der Pädagogin, systemischen Familientherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie Anke Meissner (52) erfahren. Damit möglichst alle Eltern die hilfreichen Antworten lesen können, hat die Libelle uns das Interview netterweise zur Verfügung gestellt:
ruhrpottKIDS: Wie sieht Einsamkeit bei Kindern aus?
Anke Meissner: Einsamkeit drückt sich in einer Mischung unterschiedlicher Gefühle aus: Traurigkeit, Leere, Lustlosigkeit, Langeweile und Angst. Ist ein Kind eher introvertiert, zieht es sich in der Folge vielleicht noch mehr in seine Spielwelten zurück, wird immer stiller. Hinzu können Symptome wie Schlaf- und Essprobleme kommen oder auch Rückschritte in der Entwicklung. Ein eher extrovertiertes Kind wird vielleicht häufiger wütend und zeigt so deutlicher, dass es sich zum Beispiel leer und gelangweilt fühlt.
Welche Bedürfnisse verbergen sich dahinter?
Wir unterscheiden grundsätzlich körperliche Bedürfnisse wie ausreichend Schlaf, Ernährung und Bewegung von den psychischen Bedürfnissen nach Nähe, Sicherheit und Zugehörigkeit. Hinzu kommen die sozialen Bedürfnisse nach Geselligkeit, Austausch und Anerkennung. Wer sich einsam fühlt, hat vielleicht oberflächlich das Bedürfnis nach mehr sozialen Kontakten, aber im Grunde ist Einsamkeit ein Bedürfnis auf der psychischen Stufe, denn dem Betroffenen fehlen Nähe, Sicherheit und Zugehörigkeit.
Wie kommt es zur Einsamkeit speziell bei Kindern?
Durch die Coronamaßnahmen sind Familien sehr stark auf sich selbst zurückgeworfen. Bezugspersonen wie Erzieher:innen, Lehrkräfte, die Großeltern und natürlich die anderen Kinder fehlen. Hinzu kommt, dass der gewohnte Tagesablauf mit all seinen Programmpunkten und Aktivitäten fehlt. Das kann zu einem Gefühl der Leere beim Kind führen. Ein typisches Problem des Homeoffice ist zudem, dass das Kind eventuell zu Hause oftmals Zurückweisung erfährt: „Jetzt nicht!“
Wie können Eltern helfen?
Ganz wichtig ist, dass die Eltern gut für sich selbst sorgen. Denn nur, wenn sie die nötige Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, fühlt sich auch das Kind sicher und geborgen. Kinder sind stark von dem Befinden ihrer Eltern abhängig, denn sie selbst haben keinen Handlungsspielraum, um die Situation zu verändern. Daher ist es so wichtig für sie, dass die Eltern Zuversicht vermitteln und zum Beispiel hoffnungsvoll sagen: „Das geht momentan noch nicht, aber bald wieder“ statt nur „Das geht nicht!“
Wie wichtig sind Kontakte?
Natürlich sind Kontakte wichtig. Aber wenn diese aufgrund der Coronapandemie nicht möglich sind, kann das Kind auch zuhause ausreichend Zugehörigkeit und Anerkennung erfahren. Eltern können sich zum Beispiel bewusst Zeit nehmen und jedem Kind regelmäßig ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Viele Kinder, auch Jugendliche, haben jetzt mehr Bedürfnis nach Nähe und Kuscheln. Und für Babys und Kleinkinder sind Blickkontakt und vor allem bewusste Mimik sehr wichtig, weil diese ja zum Teil unter den Masken verloren geht.
Was schlagen Sie noch vor?
Eltern können das Kind ermutigen, den Kontakt zu weiteren Bezugspersonen über Bilder, Briefe, Telefonieren oder Videoanrufe zu suchen. Um den Tag zu strukturieren und damit Sicherheit zu geben, helfen Kindern neben Beschäftigungsangeboten auch kleine Aufträge im Haushalt. Zur Ablenkung darf auch etwas mehr Medienzeit als sonst erlaubt werden. Stillere Kinder leiden häufig insgeheim unter Ängsten. Durch Nachfragen können Eltern Missverständnisse ausräumen und Ängste nehmen. Überhaupt ist das Im-Gespräch-bleiben jetzt sehr wichtig!
„Jeder Weg beginnt mit dem ersten kleinen Schritt“
Praxis Neue Wege gehen – Anke Meissner, Grafenberger Allee 145, Düsseldorf-Flingern, 0211-3904844, kontakt@anke-meissner.de, anke-meissner.de