
© Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen
Dr. Gerrit Lautner
Im Interview erklärt Dr. Gerrit Lautner, ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, die Infektion von Kindern mit dem Coronavirus, also SARS-CoV-2*.
Herr Dr. Lautner, behandeln Sie aktuell in Ihrer Klinik Kinder mit Covid-19?
Nein. Wir hatten einige wenige Verdachtsfälle, die wir auf der Station bis zum Ergebnis des Tests isoliert haben. Alle Kinder konnten schon bald nach Hause gehen. Bei keinem der Kinder hat sich der Verdacht einer SARS-CoV-2 Infektion bestätigt.
Was weiß man denn über die SARS-CoV-2 Infektionen bei Kindern?
Das was wir hier wissen, verdanken wir vor allem einer Zusammenstellung der kinderärztlichen Kollegen aus Wuhan. Sie haben in einer Gruppe von etwa 1400 Kindern, die auf SARS-CoV-2 getestet wurden, in 171 Fällen einen positiven Testausfall gehabt. Krankheitszeichen waren im Wesentlichen Husten und eine Rötung der Rachenschleimhaut, die etwa bei der Hälfte der Kinder vorlag, nur vier von zehn Kindern hatten Fieber. Seltene Krankheitszeichen waren Durchfall, Müdigkeit, laufende Nase, Erbrechen oder verlegte Nasenatmung. Wenn man sich die medizinischen Diagnosen, die sich bei diesen Kindern ergaben, anguckt, dann war bei jedem siebten Kind die Infektion vollkommen asymptomatisch, das heißt, die Kinder waren gar nicht krank, hatten aber einen positiven SARS-CoV-2-Test. Ungefähr jedes fünfte Kind hatte einen Infekt der oberen Atemwege, also Schnupfen und eine Rachenentzündung und knapp 65 Prozent litten an einer Lungenentzündung.
Laufende Nase, roter Rachen, kein Fieber, das hört sich ja an wie bei jeder beliebigen Virusinfektion oder vielleicht sogar wie bei einer Allergie!
Das ist leider richtig. Es gibt bei all diesen Krankheitszeichen kein einziges, das auf das SARS-CoV-2-Virus als Ursache der Infektion hinweist. Alle diese Symptome können genauso gut als übliche "Erkältungsviren" wie zum Beispiel eine laufende oder verstopfte Nase, Augenbrennen und trockener Husten auch bei Allergien auftreten.
Gab es bei den Kindern auch schwere Verläufe?
Ja, die gab es auch. Von den 171 Patienten brauchten drei intensivmedizinische Behandlung einschließlich künstlicher Beatmung. All diese Kinder hatten aber vorbestehende bzw. schwere Begleiterkrankungen.
Wie würden Sie zusammenfassend die Rolle von infizierten und erkrankten Kindern in der aktuellen Pandemie sehen?
Ich denke, dass die Kinder, die an Covid-19 erkranken, fast alle einen leichten Verlauf nehmen. Einige müssen sicherlich im Krankenhaus behandelt werden, aber sie benötigen nur in ganz seltenen Fällen intensivmedizinische Behandlung. Inwieweit Kinder als Überträger der Infektion auf ihre Familie – und hier denke ich natürlich vor allen Dingen an die Großeltern – eine Rolle spielen, dazu haben wir noch zu wenig gesicherte Informationen. In dieser Situation halte ich ein Kontaktverbot zwischen Großeltern und ihren Enkeln für absolut für notwendig.
*SARS-CoV-2 ist der Name des Virus; COVID 19 ist der Name der durch das Virus hervorgerufenen Erkrankung