Während bundesweit die Zeitungen lobende Worte über das Outing des ehemaligen Fußball-Profis Hitzelberger fanden, wurde in Baden-Württemberg von über 100 000 Menschen eine Petition unterschrieben, die sich GEGEN die Aufnahme von Akzeptanz sexueller Vielfalt als Leitprinzip im baden-württembergischen Bildungsplan wendete.
Schon seit vielen Jahren ist die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung durch den Artikel 13 des EG-Vertrags und durch die EU-Charta der Grundrechte verboten.
Offensichtlich hat diese Haltung also schon lange nichts mehr mit Gesetzen zu tun, sondern beginnt in den Köpfen der Menschen. „Unsere Gesellschaft lebt von ihrer Vielfalt“, sagte SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe während einer Bürgerschaftssitzung. Eine Aussage, die sich nicht nur gut und richtig anhört, sondern die eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Gerade während des Heranwachsens, wenn es gilt, die eigene Identität auszuloten, sehen sich die „Vielfältigeren“, das heißt diejenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht so sind wie andere, einem enormen Druck ausgesetzt.
Wenn Kinder sogar ausgegrenzt werden, weil sie die falsche Schuhmarke tragen, wie geht es ihnen dann erst, wenn sie feststellen , dass sie gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugen oder vielleicht sogar wahrnehmen, dass sie im falschen Körper stecken? An dieser Stelle setzt die Organisation „Rainbow“ (Rights Against INtolerance: Building an Open-minded World) an, indem sie versucht, den Kindern ein Bewusstsein für Toleranz und Akzeptanz zu vermitteln und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein zu stärken.
Zusammen mit der Organisation der European Children's Film Assoziation (ECFA) sowie Partnern aus acht verschiedenen Ländern hat Rainbow eine DVD-Kurzfilmsammlung über diese Themen verfasst und international veröffentlicht.
Neben neun Filmen, die Kinder in den Altersstufen von sechs bis sechzehn ansprechen, gibt es vielfältiges Unterrichtsmaterial, das in Zusammenarbeit von Lehrkräften, PädagogInnen, ExpertInnen und PsychologInnen erarbeitet wurde.
In den Filmen geht es erster Linie darum, Stereotype und Geschlechterrollen aufzubrechen, Homophobie entgegen zu wirken und die eigene Identität zu stärken, aber auch Konfliktlösung, Gewaltbereitschaft und Coming Out gehören zu den angesprochenen Themen.
Die Filme bewegen sich zwischen Animationsfilmen für die Kleinen (zum Beispiel „Papas Junge“, „Eine kleine Maus, die boxen lernen soll, aber viel lieber Ballett tanzt“) bis hin zu tiefgehenden Filmen über Liebe und über die Akzeptanz der eigenen Gefühle durch Umwelt und Familie.
In der Dokumentation „Dannys Parade“ kämpft ein 14-Jähriger um ein eigenes Schiff für Homosexuelle unter 16 Jahren während des Christopher Street Days in Amsterdam und wird sowohl zum Vorbild als auch zum Hassobjekt eines ganzen Landes.
In dem fiktionalen Kurzfilm „Haie fangen“, wird der kleine Erlend dafür gemobbt, dass er einen schwulen Bruder hat. Von seiner Reaktion auf die Peiniger, kann sogar sein Bruder noch etwas lernen.
Besonders beeindruckend ist auch die Geschichte von Luus. In dem Film „Von Lucas zu Luus“ geht um eine 12-Jährige, die als Lucas geboren wurde und es geschafft hat, schon in ihrem jungen Alter zu sich selber zu stehen. Ohne die Klasse zu wechseln, kommt sie nach den Sommerferien als Mädchen zurück in die Schule
und kämpft darum, als die Person akzeptiert zu werden, die sie wirklich ist. Interessant ist hier vor allem, dass die anderen Kinder gar kein großes Problem mit ihrer neuen Identität haben und es zum Beispiel nicht mal hinterfragen, dass sie sich jetzt natürlich in der Mädchenumkleide umzieht. In dem kleinen Film beantwortet sie bereitwillig und ehrlich all die Fragen, die die anderen Kinder ihr stellen.
Der Film „Sticks and Stones“ bezieht sich auf den traditionellen englischen Reim: „Sticks and stones may break my bones. But words will never hurt me“. Hier berichten Kinder aus ihrem Alltag: Sie erzählen von ihren Familien, die mal klassische Vater-Mutter-Kind-Familien sind, mal zwei Mütter und mal zwei Väter haben. Sie erzählen aber auch von ihren Ängsten, von ihren Schwierigkeiten in der Gesellschaft und von Mobbing im Allgemeinen.
Andere kämpfen mit ihren vorgeschriebenen Rollenbildern. Da ist zum Beispiel der Junge, der sich gerne die Fingernägel anmalt oder auch das Mädchen, das viel lieber Fußball als mit Puppen spielt und die beide dafür geärgert werden. Zusammen machen sie sich Gedanken darüber, warum das so ist und welche Lösungswege es geben könnte.
Dies sind nur einige Beispiele der bewegenden Filme auf der DVD. Zu jedem einzelnen gibt es ausführliches Begleitmaterial und Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung.
Das Klassenzimmer soll so zu einem geschützten Raum werden, in dem diese Thematiken diskutiert und behandelt werden können, wo Vorurteile besprochen und Begriffe erklärt werden.
(Kaum jemandem dürfte zum Beispiel bekannt sein, woher das englische Schimpfwort „Faggott“ kommt. Zur Zeiten der Ketzer und der Hexenverbrennung wurden die Scheiterhaufen nämlich nicht nur mit den eigentlichen „Faggots“ – den Reisigbündeln – geheizt, sondern auch mit gefesselten homosexuellen Männern.)
Gemeinsam mit den Lehrern sind die Klassen dazu angehalten, zu hinterfragen, wie sie die Situation in ihren Schulen einschätzen, ob es Schülern und Lehrkräften möglich ist, offen homosexuell zu leben und wie man mit dadurch aufkommenden Konflikten umgehen kann.
Die Materialien beschränken sich aber nicht nur auf Homosexualität, sondern beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie es jedem an der Schule möglich ist, seiner Persönlichkeit entsprechend zu leben und für sich einzustehen. Es geht nicht um starre Verhaltensregeln, sondern um ein respektvolles Miteinander – darum, jeden Menschen so akzeptieren wie er ist, sei er noch so anders als man selber und darum, dies als Qualität zu sehen und nicht als Konfliktpunkt.
So antwortet in „Sticks and Stones“ ein kleiner Junge auf die Frage: „Was sind Homosexuelle?“, schlicht mit: „Zwei Menschen, die sich lieben.“
Die DVD „RAINBOW Kurzfilmprogramm" mit neun Filmen und sehr viel Unterrichts-Material ist über den Bundesverband Jugend und Film e.V. zu beziehen.
www.BJF.info (Unter BJF-Infos/Projekte)