1 von 3
Pressekonferenz Nymphomaniac
2 von 3
Christian Slater und Shia LaBeouf
3 von 3
Foto: @Berlinale
The Turning
Um die 2000 Plätze hat der Berlinale-Palast und die sind trotz recht früher Stunde bis auf den letzten belegt, als Lars von Triers lange erwarteter „Nymphomaniac“ läuft. Nach dem Eklat in Cannes 2011, als er sich erst zum Thema seiner deutschen Wurzeln furchtbar verhedderte um schließlich zum Entsetzen aller Anwesenden auszurufen „Ja, ich bin ein Nazi!“ und seiner darauf folgenden Verbannung von dem französischen Festival, redet er gar nicht mehr mit der Presse und hält sich bewusst aus dem Rampenlicht zurück. Dementsprechend gab es sehr wenig Informationen über seinen neuen Film. Lediglich ein paar Poster, auf denen alle seine Hauptdarsteller in recht eindeutiger Pose zu sehen sind, wurden an die Öffentlichkeit geleitet. Auch der Titel des Filmes lässt einen, aufgrund der bekannten Explizidität von Triers, einen Skandal-Film erwarten. Dabei steht für die gesamte Presse die Frage im Raum: Kommt er oder kommt er nicht, um seinen Film auf der Berlinale persönlich vorzustellen?
Obwohl ich die ersten paar Minuten des Filmes ein bisschen Sorge habe, „Feuchtgebiete 2“ zu bekommen, bin ich äußerst positiv überrascht. Natürlich wird wie erwartet viel expliziter Sex gezeigt, aber immer steht etwas ganz anderes im Vordergrund. Es ist eine tiefgehende, warmherzige Geschichte um Liebe und der Angst vor dem Verletztwerden, in der sich grandios komische Szenen mit extrem berührenden abwechseln. Es ist in der gesamten Gestaltung ein sehr moderner Film, der von verschiedenen Darstellungsmethoden, wie eingeblendete Mini-Filmchen und Splitscreen, Gebrauch macht. Insgesamt eher anspruchsvoll wird es bestimmt kein großer Erfolg in den großen Komplexen, sollte aber die meisten Arthouse-Besucher begeistern. Sogar das eher abgebrühte Journalisten-Publikum lässt sich zu spontanem Szenen-Applaus hinreißen.
Das letzte Wort des Filmes ist kaum gesprochen, da rennen 2000 Reporter los um sich einen Platz im Konferenzraum zu sichern. Dumm, dass ich nur noch im fünften Stock einen Platz gefunden hatte und so erstmal hunderte von Treppen hinter mich bringen muss. Erstaunlicherweise schaffe ich es trotzdem, genau hinter mir wird die Tür wieder geschlossen. Und tatsächlich – Lars von Trier ist da! Die Aufregung im Raum steigt und flaut ziemlich schnell wieder ab. Er ist zwar zum Foto-Call erschienen (mit einem Aufdruck auf seinem Shirt auf dem unter dem offiziellen Palmenblatt von Cannes in großen Lettern „Persona non Grata“ steht), wird aber nicht in die Pressekonferenz kommen und sich auch nicht äußern. Immerhin habe ich ihn gesehen und mich nur wenige Meter von ihm entfernt befunden. Auch ganz cool.
Die Pressekonferenz, in der unter anderem Uma Thurman und Christian Slater sind, verläuft relativ unspektakulär, Fragen zu Lars von Trier selber werden kurz und faktisch beantwortet. Bis jemand eine Frage an Shia LaBeouf richtet. Er sitzt da mit dreckigen Klamotten, einer speckigen Kappe tief ins Gesicht gezogen und laut Kaugummi kauend. Wäre er mein Sohn, ich würde ihm was erzählen. Er setzt zu einer Antwort an, zitiert einen völlig unpassenden Spruch über Sardinen (wie mir später erklärt wurde, ein Spruch den der Fußballer Cantona einst benutzte), sagt "Thank you", steht auf und geht. Die Reporter sind genauso verwirrt wie die anderen Schauspieler. Später bekomme ich erklärt, LaBeouf wurde dabei erwischt wie er die Geschichte eines bekannten Comic-Künstlers als seine eigene ausgegeben hat und seitdem kopiert er auf Twitter und sonstigen Plattformen Entschuldigungen anderer berühmter Menschen. Aha. Bleibt trotzdem albern.
Nett ist Bill Murrays Kommentar später dazu:“Someone with that name gets teased a lot at school.“ (dt.: „Jemand der einen solchen Namen hat, wird eben in der Schule viel geärgert.“ )
Am Nachmittag sehe ich die Verfilmung von Nick Hornbys „A long Way down“. Vielleicht muss man großer Hornby-Fan sein oder zumindest großer Pierce Brosnan-Fan. Ich bin beides nicht und finde die Geschichte von vier Leuten die sich dabei treffen, wie sie sich in der Silvesternacht umbringen wollen nur semi-witzig. Obwohl gerade die beiden Frauenrollen toll besetzt sind, ist es ein weiterer Film bei dem ich mich größtenteils langweile und viele der Reporter schon vor Ende den Saal verlassen.
Abends komme ich dann endlich zu meinem ersten Kinderfilm. Naja, ein richtiger Kinderfilm ist es eigentlich nicht, aber vielleicht sowas wie ein Kinderfilm für Erwachsene. „The Turning“ ist sein eigenes Kurzfilm-Festival. 18 Filme verschiedener Australischer Regisseure befassen sich mit dem Moment des Erwachsenwerdens. Das ist prinzipiell spannend, und es sind viele einzelne gute Filme dabei. Vor allem finde ich interessant, dass „Erwachsenwerden“ nicht nur vom Alter abhängig gemacht wird. Der kleine, vielleicht 10-Jährige Junge, der entdeckt, dass sein Bruder nicht loyal zu ihm ist, erlebt diesen Moment genauso wie die erwachsene Frau, die ihre Mutter das erste Mal als gute Freundin wahrnehmen kann.
Einzeln genommen sind viele wirklich gelungene Filmchen dabei, die sich vor allem für den Unterricht und um mit Kindern und Jugendlichen zu dem Thema ins Gespräch zu kommen, absolut anbieten. Drei Stunden lang alle Filme hintereinander sind definitiv zu lang und ich merke erst, dass ich eingenickt bin, als der Applaus losgeht, weil der Film gegen Mitternacht endlich vorbei ist.
Ich muss dringend an meinem Schlafpensum arbeiten....