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Jack und das Kuckucksuhrherz
Der Einfluss Tim Burtons ist kaum zu übersehen
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Jack und seine "Mama"
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What We Do in the Shadows
Habe ich schon erwähnt, dass ich es seit Tagen schaffe, jedes, aber auch JEDES Mal an einer anderen Stelle des Potsdamer Platzes aus der S-Bahn heraus zu kommen? Diese labyrinth-ähnlichen Ausgänge bei S- und U-Bahnschächten sind mir als überzeugter, überirdischer Straßenbahnfahrerin gelinde unheimlich...
Heute steht „ Jack und das Kuckucksuhrherz“ auf meinem Programm. Er ist einer der ungewöhnlich vielen Animationsfilme im Genaration-Programm der diesjährigen Berlinale. Außerdem habe ich beschlossen mal in die Sektion 14+ und in den Vampirfilm „What We Do in the Shadows“ hinein zu sehen.
Jack beeindruckt mich sehr. Ich bin großer Tim Burton-Fan („Nightmare before Christmas“, „Frankenweenie“ usw.) und obwohl er gar nicht mitgewirkt hat, scheint der Film überall vor allem seine ästhetische Handschrift zu tragen. Allerdings auf LSD. Einige Frequenzen erinnern an alte Beatles-Videos mit ihren surrealen Bildern. Die Figuren brechen recht regelmäßig in Gesang aus. Mit den üblichen Disney-Klischees haben die Songs aber wenig zu tun. Die Grundstimmung ist eher düster-skurril aber wenn Kind es verkraften kann, dass ab und zu mal gefrorene Vögel vom Himmel fallen oder Babys ein Herz entnommen wird, kann man sich den Film gut ab ca. 8 Jahren ansehen.
Es geht um Jack, der in der kältesten Nacht aller Zeiten geboren wird. Er hat aufgrund der Umstände ein gefrorenes Herz (Er klappert auch, wenn man ihn schüttelt, hihi ;-)). Aber mit so einem Eisklumpen in der Brust kann man natürlich nicht leben, also beschließt die Hebamme ihm statt des Herzens eine kleine Kuckucksuhr einzubauen. Damit die aber problemlos funktioniert, gibt sie ihm eine sehr wichtige Regel mit auf den Weg: Er darf sich nie verlieben, das würde das fragile Getriebe der Uhr zerstören...
Vor der nächsten Vorstellung geht es noch zu zwei Empfängen, Frühstücken muss man ja schließlich auch.
Dabei treffe ich dann aber auch noch eine interessante junge Dame, Bettine von Borries. Sie ist Drehbuch-Autorin und hat unter Anderem die Drehbücher für „Hexe Lilli“, "Mullewap" und "Die drei Räuber" geschrieben. Wieder einmal wurden Visitenkarten getauscht und wir haben verabredet, dass wir uns in nächster Zeit noch mal in Ruhe über ihre Arbeit unterhalten werden. Das könnt ihr dann natürlich ebenfalls hier auf dem BLOG nachlesen!
Abends komme ich zum „Haus der Kulturen“ um mir „What We Do in the Shadows“ anzusehen. Ich dachte ja, die ganze Vampirwelle wäre so langsam abgeebbt, aber ich scheine mich getäuscht zu haben. Neben einer unglaublichen Schlange von Menschen, die bereits mehr als eine halbe Stunde vor Einlass ungeduldig aufgereiht vor sich hin warten, stehen gefühlt hunderte Leute vor den Türen und den gesamten Weg bis zur Bushaltestelle und betteln geradezu um Karten. Das habe ich selbst bei den großen Wettbewerbsfilmen nicht so krass erlebt. Mir ist auch nicht ganz klar, ob es wirklich das Vampirthema an sich ist, ob es von vorneherein schon so viel positive Presse gab oder der Fakt, dass der Regisseur schon öfter im Generation-Programm der Berlinale gelaufen ist und von daher einen gewissen positiven Ruf hat. Ich kämpfe mich durch die Massen, zeige meinen roten Pass und... naja, ihr wisst schon. Ich fühle mich ein bisschen schuldig, als ich an der Schlange der Wartenden und Kartensuchenden einfach vorbei ziehe.
Eigentlich mag ich Vampirfilme wirklich nicht. Für die "Twillight"-Geschichten bin ich zu alt, in "Vampire Diaries" bin ich nicht hineingekommen und den „Kleinen Vampir“ fand ich früher mal ganz cool, aber das ist schon viele viele Jahre her. Einzig Jim Jarmusch's „Only Lovers Left Alive“ hat mich in letzter Zeit wirklich begeistert. Da wird aber in der Tiefe etwas ganz anderes erzählt als die Geschichte zweier Vampire.
Jetzt also eine „Dokumentation“ über eine Vampir-WG. Na gut.
Nach wenigen Minuten, noch bevor der eigentliche Titel eingeblendet wird, brüllt das ganze Kino vor Lachen. Einschließlich mir. Die Vampir-WG, bestehend aus vier Vampiren zwischen ca. 180 und 2000 Jahren hat neben den üblichen Problemen wie „Wer ist eigentlich mit Abwaschen dran?“ noch viel schwerwiegendere Probleme, nämlich: „Wo kriegen wir unser nächstes Opfer her?“, „ Ist es angebracht als „Blade“ zu einem Vampir-Maskenball zu gehen“ und „Wie geht man mit der anstrengenden Gruppe der Werwölfe um, die immer wieder herumnerven?“
Die vier Bewohner lassen das Filmteam an ihrem Leben teilhaben und so erhält der Zuschauer ungewöhnliche und sicher auch unerwartete Einblicke in das Leben dieser so oft missverstandenen Spezies.
Ich muss sagen, ich habe selten so viel und so laut in einem Film gelacht und zwar durchgehend. Wie er ausgerechnet ins Programm der Generation gerutscht ist, ist mir ein bisschen ein Rätsel, die Protagonisten sind nämlich allesamt gestandene Männer und ich würde den Film eher in eine Reihe mit „Iron Sky“ oder „Fractus“ stellen und so durchaus im Abendprogramm eines Arthouse-Kinos verorten. Aber dafür heißt die Sparte ja auch 14+, da ist nach oben keine Grenze gesetzt.
Als Vampirfilm-unerfahrener-Zuschauer habe ich mich auch manches mal ganz schön gegruselt, aber im Gespräch mit einigen Kindern hinterher musste ich feststellen, dass die meisten der zahlreich anwesenden 10 bis 13-Jährigen damit überhaupt keine Probleme hatten und auch im Nachhinein habe ich von vielen, gerade in dieser Altersgruppe, gehört, dass dieser Film zu ihren Favoriten des Festivals zählt.
Also: Ein Film für die ganze Familie, auch wenn man Vampire sonst nicht so prickelnd findet. Tränenlachen garantiert!
Im Publikumsgespräch hinterher zog das Filmteam übrigens seine Rollen durch, was ebenfalls sehr witzig war. Der „Dokumentarfilmer“ sowie zwei der Vampire waren anwesend und erzählten bereitwillig von den schwierigen Dreharbeiten. Glücklicherweise wurde dem Publikum mitgeteilt, dass alle Sitze zu unserem Schutz zuvor mit Weihwasser besprengt wurden, wir also keine Angst zu haben bräuchten. Wie sich der Regisseur auf diese schwierige Arbeit vorbereitet habe? "Blade" Teil 1 und 3 gesehen und den Klappentext von "Dracula" gelesen.
Einzig bei der Frage eines neugierigen Kindes, wie sie das denn mit dem Fliegen gemacht hätten und ob sie es nicht mal vormachen könnten, kam das Team dann doch etwas ins Trudeln....
Ich bin wirklich froh, dass ich noch in diese wundervolle Mocumentary hinein gekommen bin! Nebenbei habe ich von einer Bekannten gehört, dass Karten für die Premieren von "Monuments Men" und "Nymphomaniac" auf Ebay für über 200 Euro gehandelt wurden. Ich streichle einmal mehr liebevoll über meinen roten Presseausweis und freue mich auf morgen! Da wird es wohl wieder etwas ernster und tiefsinniger.