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"Wir brauchen Lösungen!"
Seit Wochen warten Eltern von Kita- und Schulkindern auf Konzepte für die Betreuung in privaten und öffentlichen Einrichtungen, seit Wochen werden sie vertröstet, und auch die schrittweise Öffnung der Kitas verspricht nur rund der Hälfte aller Kinder eine Rückkehr vor den Sommerferien. Der Landeselternbeirat der Kita-Kinder in NRW hat dazu nicht nur Fragen an Familienminister Joachim Stamp und Ministerpräsident Armin Laschet, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge. Diese haben sie am 10. Mai in deutlichen Worten in einem offenen Brief formuliert.
Wir veröffentlichen ihn hier im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,
da ist es nun also, das langersehnte Konzept für NRW, an dem seit dem 16. März 2020, also seit über 7 Wochen, so fieberhaft gearbeitet wurde: „Mindestens 50 % der Kinder in NRW werden ihre Kita oder Tagespflege vor den Schulferien im Sommer maximal ein bis zweimal von innen sehen, ab September (oder zwischendurch) sehen wir dann weiter.“ Gratulation zu diesem Konzept!
„50 %“ bedeuten in Zahlen ca. 350.000 Kinder, deren Eltern teilweise nicht (mehr) in der Lage sind, ihre Kinder gut zu versorgen - in den Familien, die dem Jugendamt nicht sowieso schon gemeldet wurden, bleiben Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung weiterhin unbemerkt. Etliche Eltern müssen ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen oder im Homeoffice arbeiten, haben sämtliche Urlaubstage aufgebraucht oder sogar ihren Job verloren. 350.000 Kinder, die seit fast 2 Monaten von liebevollen Laien bei Laune gehalten wurden, sollen auch bis September keine Fachkraft sehen, die sie fördert, bildet und professionell betreut.
Vorweg: Niemand fordert, dass in den Einrichtungen sämtliche Kinder im vertraglich vereinbarten Umfang betreut werden. Aber wir Eltern fordern die Betreuung von jedem Kind und zwar in dem Umfang, wie es die Familie tatsächlich braucht. Herr Minister Stamp weiß nicht, wie viele Eltern das Angebot der nochmals erweiterten Notbetreuung nutzen werden? Wie wäre es, wenn man die Eltern einmal fragt - dann könnte man ja auch ein Konzept entwickeln, oder nicht?
Aber die Kindertagesbetreuung bleibt wohl weiterhin ein Privatvergnügen. Unterstützung des Staates für „die übrigen“ 350.000 Kinder mit ihren Eltern? Fehlanzeige.
Die Kinder dürfen wieder auf Spielplätze und wir Eltern dürfen nun gegenseitig die Kinder bis September betreuen? Vielen Dank für die schallende Ohrfeige. Denn was ist jetzt genau die Lösung? Wir können weiterhin zusehen, wie wir privat geregelt bekommen, was für unsere Kinder und uns ersatzlos gestrichen wurde?
Wo sind denn jetzt die Betreuungssettings, die bereits organisiert wurden? Turnhallen, Gemeindesäle, Jugendzentren, Ratssäle, Sportplätze oder Yogastudios stehen und standen leer! Es gibt Parks, Wälder und Spielplätze, wo Kinder toll betreut werden könnten, wenn eine Kita zu wenig Platz bietet. Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Übungsleiter, Trainer, PädagogikstudentInnen, FSJler, BuFDis und auch ErzieherInnen sitzen oder saßen zu Hause, während die Kinder und Eltern über ihre Grenzen und darüber hinaus belastet werden! Wieso wurden in den letzten 7 Wochen keine unterstützenden Kräfte für die Kitas und zusätzliche Räumlichkeiten organisiert? Wieso haben die Jugendämter die Träger dabei nicht unterstützt? Herr Laschet, wieso haben Sie noch kein Geld dafür zur Verfügung gestellt aus dem riesigen Corona-Rettungsschirm?
Immer wieder wird erwähnt, dass das Ministerium im engen Austausch mit den Trägern zusammenarbeitet. Offenbar haben die Träger aber große Schwierigkeiten, kreative Lösungen zu finden. Mehrfach wurde darauf verwiesen, dass kleine Kinder keinen Abstand halten könnten oder angemerkt, es sei nicht kindgerecht, wenn Fachkräfte Masken zum eigenen Schutz tragen. Die Konsequenz dieser Argumente? Die Kitas betreuen einfach weniger Kinder, da die Träger ihre Mitarbeiter schützen möchten und diese sehr große Angst um sich und die Kinder haben. Bemerkenswerte Argumentationskette.
Wieso wird eigentlich in Altenheimen nicht ebenfalls lediglich eine „Notbetreuung“ angeboten? Auch diese Fachkräfte können nicht geschützt werden.
Sollen die Kinder oder Enkel doch „mal eben“ die Pflege ihrer älteren Angehörigen übernehmen- sie sind ja schließlich blutsverwandt. Geht nicht? Warum nicht?
„Fachkräfte sind dort in Gefahr, denn es kann kein Abstand gehalten werden, wenn man menschenwürdig betreuen möchte! Maximal die Notfälle sollten dort betreut werden!“ Warum wurde das eigentlich nie diskutiert?
Aber zurück zu den Kindertageseinrichtungen: Die Landesregierung NRW war ja von Beginn an großzügig und hat die Weiterfinanzierung von Kitas und Tagespflege sehr schnell abgesichert. Sicher war es wichtig, dass kein seriöser Träger wegen Unterfinanzierung schließen muss und Kinder in NRW mit ihren Familien nach der Krise wohlmöglich noch schlechter dastehen als vorher. Denn auch vorher herrschte bereits ein massiver Platzmangel. Man fragt sich allerdings heute, welchen Anreiz nun ein Träger oder eine Tagespflegeperson hat, möglichst kreative Wege zu finden, um zusätzliche Kinder zu betreuen. Eventuell keinen?
Virologen haben bereits durch Studien belegt, dass Kinder keinesfalls eine größere Rolle als Erwachsene bei der Übertragung des Coronavirus haben. Und das muss man sich in diesem Zusammenhang dann mal auf der Zunge zergehen lassen: Frisöre wurden wiedereröffnet, Kontaktsportarten werden wieder erlaubt, Spielplätze sind offen. Abstand halten? Ach, wozu denn?! Autohäuser, Restaurants und Möbelgeschäfte, wurden geöffnet - Supermärkte nie geschlossen - wie Abstand halten dort geht, kann man sich ja vor Ort einmal ansehen."
Unterzeichnet vom Vorstand und den Mitgliedern des LEB.