Hinter dem harmlos klingenden Begriff versteckt sich, was Betroffene als Psychoterror beschreiben. Unzähligen Studien, Aufklärungsarbeit und Präventionsprogrammen zum Trotz ist Mobbing ein wachsendes, gesellschaftliches Problem, das immer noch viel zu oft nicht ernst genug genommen wird. Aber es gibt konkrete Hilfe.
Hab‘ dich nicht so
Kinder waren schon immer so, stell dich nicht so an, das stärkt den Charakter – so lauten die gängigen Argumente derer, die keine Ahnung haben, was Mobbing ist und was es bewirkt. Beim Mobbing handelt es sich nicht um harmlose Neckereien, sondern um gezielte Schikane über einen längeren Zeitraum. Unzählige Studien belegen: Mobbing und Cybermobbing ist zu einem Massenphänomen gewachsen, bei dem jede:r sechste Schüler:in während der Schulzeit mindestens einmal Opfer wird und jede:r dritte Angst vor Mobbing hat. Dazu zählen direkte Drohungen, Beschimpfungen oder öffentliches Hänseln bis hin zu körperlicher Gewalt. Indirekt geschieht Mobbing durch Ausgrenzung, Beschädigung des Eigentums bis hin zum Verbreiten von Lügen und Gerüchten im Internet. Nahezu alle Mobbing-Betroffenen reagieren mit körperlichen und seelischen Beschwerden, die bis zu Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen reichen und sogar ein Leben lang krankmachen können.
Es gehören immer zwei dazu
Diese Binsenweisheit ist unhaltbar, da sie zum einen dem Opfer Schuld unterstellt. Zum anderen sind neben dem gemobbten und dem mobbenden Part immer auch die zahlreichen Helfenden, Mitlaufenden, Duldenden und Beobachter:innen beteiligt. Wenn ein Kind in der Klasse gemobbt wird, sind alle Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern in der Pflicht, hinzuschauen und zu helfen. Studien belegen: Mobbing kann jede und jeden treffen. Es kann „den Neuen“ ebenso treffen wie die Klassenbeste. Am häufigsten wird im Alter zwischen 7 und 15 Jahren gemobbt. Etwa ab dem 9. Schuljahr, verringert sich die Zahl der Vorfälle, wobei Expert:innen den Grund dafür darin sehen, dass ältere Schüler:innen selbstsicherer sind und gelernt haben, sich zu behaupten. Aber auch bei den Älteren ist Mobbing an der Tagesordnung. Laut der Sinus-Jugendstudie 2023/24 haben 61 % aller Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren schon Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht.
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Mobbing, Schule
Lass uns reden!
Wenn Eltern, Lehrkräfte oder Freund:innen Signale wahrnehmen, die auf Mobbing schließen lassen, dann sollten sie zuerst das Gespräch mit dem Kind suchen, ihm zuhören, es aber zu nichts drängen und auf keinen Fall als mitschuldig verurteilen. Auch voreilige Ratschläge sollten vermieden werden. Stattdessen können nächste Schritte gemeinsam besprochen werden, wie zum Beispiel Unterstützung zu finden. Sinnvollerweise ist „Lass uns reden“ auch das Motto des Bundesprogramms der Jugendmigrationsdienste (JMD), das Respekt Coaches an über 500 Schulen in ganz Deutschland einsetzt, auch im Bundesland NRW aktiv ist und vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. „Respect Coaches“ sind pädagogische Fachkräfte, die den Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen und für Unterrichtseinheiten, Workshops, Projektwochen oder Ferienfreizeiten ab der 5. Klasse unterstützend an den Schulen eingesetzt werden. Weitere Infos auf lass-uns-reden.de oder per Mail an fachstelle@jugendmigrationsdienste.de
Du hast keine Schuld
Dieser Satz ist bezeichnend beim lösungsorientierten No Blame Approach (NBA) und richtet sich nicht nur an die so genannten „Opfer“ von Mobbingangriffen, sondern grundsätzlich an alle Beteiligten. Ausschlaggebend bei der klar strukturierten Methode in drei Schritten sind die Lehrkräfte, die das Gespräch mit allen Beteiligten suchen und eine Unterstützungsgruppe bilden. Das Interventionsprogramm, das Erfolgsquoten von nahezu 90 Prozent aufweist, vermeidet Schuldzuweisungen, wenn alle Mobbing-Beteiligten an einem Tisch zusammenkommen. Stattdessen vertraut die Methode auf die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen, selbst wirksame Lösungen herbeizuführen, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Dazu wurde 2008 mit finanzieller Unterstützung der Aktion Mensch eine Erhebung zur "Anwendung des No Blame Approach in der schulischen Praxis" durchgeführt. Datenbasis waren 220 Mobbing-Fälle, bei deren Lösung der NBA angewendet wurde. Verblüffende Erkenntnis: sogar die allermeisten „Täter:innen“ zeigten sich ernsthaft bereit, das Problem zu lösen, und erleichtert, das Mobbing beenden zu können. Alle Infos auf no-blame-approach.de Auch die Schulpsychologische Beratungsstelle Dortmund empfiehlt und wendet diese Methode an und bildet Lehrkräfte darin aus (Link).
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Mobbing: "... und raus bist du"
Ich helfe dir!
Auf die Methode des NBA setzt auch der Verein „Zeichen gegen Mobbing“, der die kostenlose Durchführung von vorbeugenden und eingreifenden Projekten an Schulen anbietet. Der Verein unterstützt Lehrkräfte dabei, ein besseres Miteinander in ihrer Klasse herbeizuführen und eine Verschlechterung der Situation durch Sanktionen zu vermeiden. Der Verein bietet Lehrer:innen ebenso wie betroffenen Schüler:innen und deren Eltern im ersten Schritt professionelle, niedrigschwellige und kostenlose Beratungen. Anschließend unterstützen die Fachkräfte auch vor Ort mit der Durchführung von Interventionsstrategien, bis der Konflikt gelöst ist. Informationen und Kontaktformular auf zeichen-gegen-mobbing.de.
Hab‘ mich mal schlaugemacht
Das Schulministerium NRW fördert die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz AJS, die als Fach- und Servicestelle Orientierungshilfe bereitstellt und bei der Suche nach Referenten:innen zum Thema (Cyber)-Mobbing unterstützt. Außerdem hat die AJS regelmäßig Fortbildungen im Kalender, die die Bearbeitung und Auflösung von Mobbingprozessen in Schulen fördern. So steht am 20. Februar wieder das 3,5-stündige Onlineseminar „Cyber-Mobbing begegnen“ auf dem Programm, in dem die Teilnehmenden Einblicke in die Medienwelt Heranwachsender und das Phänomen Cyber-Mobbing sowie einen Überblick zur Rechtslage erhalten, um anschließend praktische Methoden und Ansätze zur Prävention von Online-Konflikten zu üben. Alle Termine und Anmeldung auf ajs.nrw
In drei Schritten zur Konfliktlösung
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Mobbing: "... und raus bist du"
1. Schritt: Wenn der Verdacht auf Ausgrenzung eines Kindes besteht oder wenn ein Kind einer Lehrkraft oder den Eltern andeutet, sich unwohl zu fühlen, ist volle Unterstützung gefragt. Dabei ist es nicht wichtig, zu klären, ob tatsächlich eine Mobbingsituation vorliegt. Wichtig ist, das Kind und seine Sorgen ernst zu nehmen und mit ihm gemeinsam Möglichkeiten zur Lösung des Problems zu besprechen und ihm Auswege aus der schwierigen Situation aufzuzeigen.
2. Schritt: Die Lehrkraft stellt eine Unterstützungsgruppe aus etwa sechs bis acht Schüler:innen zusammen und lädt sie zu einem Treffen ein. Dabei werden neben den direkten Beteiligten auch Mitläufer:innen sowie Kinder einbezogen, die eine konstruktive Rolle zur Lösung der Situation einnehmen können. Im Gespräch ist es wichtig, Schuldzuweisungen zu vermeiden. Vielmehr sollte die Ausgangsfrage lauten: „Was können wir tun, um das Problem zu lösen?“, zu der alle Beteiligten ihre Ideen beisteuern.
3. Schritt: In Einzelgesprächen mit den Kindern der Unterstützungsgruppe – ungefähr ein bis zwei Wochen nach dem ersten Treffen – erfragt die Lehrkraft, wie sich die Situation entwickelt hat. Diese Gespräche geben nicht nur Aufschluss darüber, ob das Mobbing beendet ist, sie zeigen den Beteiligten zudem nochmals ihre verantwortungsvolle Rolle auf und bewirken nachhaltig, dass das Mobbing nicht erneut beginnt.
Ist doch alles nur Spaaaß!
Das Theater Dortmund hat ein interaktives Stück zum Thema Mobbing entwickelt, das gemeinsam mit seinem Publikum ab 12 Jahren nach Motiven, Antworten und Handlungsmöglichkeiten sucht. Das Geschehen auf der Bühne zeigt eine Situation im Sportunterricht, wie sie an jeder Schule vorkommen kann. Eine Moderatorin unterbricht die Handlung und befragt die Darstellenden und das Publikum zum Geschehen, den Gründen und Auswegen. „Spaaaß – Wer bestimmt, was lustig ist?“ geht Gruppendynamiken auf den Grund, untersucht die Rolle der Mitlaufenden, fragt, wo die Grenze zur Straftat liegt und wie Courage aussehen kann. Das Stück wird in unterschiedlichen Versionen je nach Klassenstufe aufgeführt. Kostenloses Begleitmaterial für den Unterricht und Termine sind hier zu finden (Link).